Am vergangenen Samstag fand ein interessantes Verbändetreffen der
Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) statt, über das ich mich als einer der Vorständ*innen besonders gefreut habe.

Die in der Dachgesellschaft organisierten Verbände waren mit zahlreichen Vertreter*innen präsent, denn es ging um ein wichtiges Thema: Macht eine kompetenzorientierte Wende in der Beratungsfort- und Weiterbildung Sinn? Wie hängt das mit dem kompetenzorientiert formulierten
EQR/DQR zusammen?
Neben den interessanten Diskussionen in einem World Cafe gab es auch zahlreiche Fragen und Rückmeldungen zu einem Vortrag von Christiane Schiersmann (Uni Heidelberg) und mir zum Thema Kompetenzorientierung in der Beratung. Viele Kollegen*innen, die das Thema nicht schwerpunktmäßig bearbeiten, haben sich danach „knackige“ Kurzdefinitionen und prägnante Antworten auf dringliche Fragen und unklar gebliebene Punkte gewünscht. Rückmeldungen, die ich mir – so gut es ging – gemerkt habe und unten aufliste. Hier kommt also ein etwas unüblicher Blogbeitrag – Verkürzungen und Reduktionen auf das Notwendigste inklusive (wer der Sache auf den Grund gehen will, wird vertiefend nachlesen müssen).
Was ist eigentlich Beratungskompetenz? Beratungskompetenz meint in Beratungspraxis und Beratungsforschung eine umfassende Handlungsbefähigung die Fachkräfte besitzen müssen, um gelingende Beratungen durchzuführen. Der im Zusammenhang mit Beratung gemeinte Kompetenzbegriff ist dabei Performanz orientiert, das heißt: Er zielt auf (zumindest teilweise) beobachtbare Beratungshandlungen (die Performanz) und erlaubt daraus den Rückschluss auf die Kompetenz (die man nicht direkt messen kann). Dieses Konzept von Beratungskompetenz ist nicht zu verwechseln mit kognitionslastigen Kompetenzdefinitionen, die v.a. in der Psychologie verwendet werden und in der Regel lediglich kognitive und emotionale Dispositionen meinen. Der Kompetenzbegriff in der Beratung speist sich vielmehr aus Pädagogik, Berufspädagogik und Professionalisierungsforschung, also Disziplinen und Forschungsrichtungen, die erfolgreiches Handeln theoretisch und empirisch modellieren.
Beratungskompetenz ist Wissen? Da Beratungskompetenz erfolgreiches Handeln beschreibt, ist sie keine Wissensform. Vielmehr sind unterschiedliche Wissensformen zwingende Voraussetzungen für den Erwerb von Beratungskompetenz, also notwendig, aber nicht hinreichend. Unterschiedliche Wissensformen werden mit fortlaufendem Kompetenzerwerb, v.a. durch die übend-reflektierte Praxis, ineinander transformiert und kreativ-situativ modifiziert. Beratungskompetenz ist in ihrer hohen Ausprägung nicht mehr (vollständig) mitteilbar. Eine Tatsache, die Georg Hans Neuweg treffend mit dem Schweigen der Könner umschrieben hat und die Erklärung für die didaktischen Probleme ist, Kompetenz nicht einfach „weitergeben“ oder in Form instruktiven Lernens „erzeugen“ zu können. An dieser Stelle verweist der Beratungskompetenzbegriff zwingend auf komplexe Bildungsprozesse (und nicht nur Lern- und Trainingseffekte), wie sie in der Bildungstheorie z.B. im Sinne der doppelten Erschließung (angehenden Fachkräften erschließen sich Beratung und werden gleichzeitig für Beratung erschlossen) formuliert sind.
Beratungskompetenz ist eine Haltung? Nein, ebenso wie das Wissen ist eine zur Aufgabe Beratung passende Haltung eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für kompetentes Handeln. Die Beratungshaltung ist per se ein Hochspekulationsbegriff mit starker normativer Kraft, aber eingeschränkter Operationalisierbarkeit (was, nebenbei, nicht nur in der Forschung, sondern auch der Praxis zu unendlichen Diskussionen führt). Realistischer ist es, von einer für Person und Anliegen der Adressat*innen jeweils passenden Begegnungsfähigkeit zu sprechen, die sich in einer beobachtbaren Beratungsbeziehung äußert und dann wiederum einen gut erfassbaren Teil von Beratungskompetenz (nämlich eine solche auch unter schwierigen Bedingungen herstellen zu können) ausmacht.
Beratungskompetenz kann man nicht messen! Das ist falsch und durch viele gut gemachte empirische Studien widerlegt. Die Frage ist vielmehr, ob man sie messen möchte und welchen Aufwand man dazu bereit ist zu treiben. Da der Rückschluss von der Performanz auf die Kompetenz im Beratungskompetenzdiskurs theoriekonsistent angelegt und nachgewiesen ist muss lediglich festgelegt werden, welche Aussage man mit den Daten machen möchte. Geht es um die Kompetenzmessung einzelner Personen, müssen Mehrfachbeobachtungen, idealerweise kombiniert mit Selbstauskunftsverfahren (z.B. Think Aloud Studien zur Selbstkommentierung des eigenen Beratungshandelns) vorgenommen werden. Will man aggregierte Erkenntnisse gewinnen, z. B. wissen, wie groß die Zuwachsrate an Beratungskompetenz einer größeren Gruppe über die Zeit ist, reichen Einfachmessungen von Einzelpersonen in ausreichender Menge aus. Im Übrigen sind in sehr vielen humanwissenschaftlichen Bereichen kompetenzorientierte Messverfahren seit vielen Jahren etabliert. In der Medizin, aber z.B. auch in den gestaltenden Künsten, wird die Kompetenz durch vollzogene Handlungen (z.B. Operation, geschaffenes Werkstück) gemessen, wobei auch die Begründungsfähigkeit für das Scheitern Teil der Kompetenz sein kann (Ex-Post-Rationalisierungsfähigkeit als Bestandteil professionellen Handelns).
Beratungskompetenz braucht noch Zusätze,
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