Weshalb sind viele der Lern- und Bildungsprozesse in der Professionalisierung von pädagogischen Fachkräften so schwer zu fassen? Ein Grund liegt darin, dass im Zuge von Professionalisierung unterschiedliche Lernformen zu unterschiedlichen Arten von Wissen führen und sich so eine Gemengelage von sich wechselseitig überlagernden und beeinflussenden Teilprozessen herausbildet, von denen immer nur ein Teil in den Blick gerät. Diese partielle Blindheit oder, positiv gewendet, der starke Fokus mit der so erkauften Ausblendung anderer relevanter Teile, betrifft dabei sowohl die Perspektive der sich bildenden Fachkräfte als auch die vermeintlich objektiven Beobachter von Lernen und Bildung, z.B. in der Forschung.
Einfache Systematiken, die z.B. auf Lernorte, Bildungsinstitutionen oder die Beschreibung einzelner Wissenselemente abstellen, liefern aus diesem Grund meist nur unbefriedigende Erklärungen: Natürlich haben alle LehrerInnen, BeraterInnen, ErwachsenbildnerInnen etc. im Grunde sehr ähnlich verlaufende Bildungsinstitutionen entlang des Berufslebenslaufes durchlaufen, und sie sind dort mit sehr ähnlichen offenen und verdeckten Curricula, also Wissenssystematiken und Formen ihrer Vermittlung, in Kontakt gekommen.
Die große Varianz in den Beobachtungen, z.B. dass trotzdem nicht jeder Lehrer nach Abschluss seiner formalen Ausbildung zu herausfordernden SchülerInnen in einer Berufsschule einen “guten Unterrichtsdraht” herstellen kann oder einige BeraterInnen bereits in sehr frühen Expertisestadien in Teilen verblüffend gelungene Beratungsgespräche absolvieren können, lässt sich analytisch aufschlussreich erklären, wenn man Modi der Wissensbildung (also des Lernens und der Bildung) mit Formen von hieraus entstehenden Wissensarten kreuzt. Für die Betrachtung von Professionalisierungsprozessen besonders aufschlussreich ist dabei die Kreuzung von implizitem/explizitem Lernen mit implizitem/explizitem Wissen, wie das u.a. auch Neuweg (2015) vorschlägt. So lässt sich untersuchen, inwiefern Lernmodi und Wissensformen miteinander korrespondieren, wechselseitig funktional äquivalent oder blockierend sein können etc.
Das ist nicht ohne definitorische Probleme, denn die Begriffe “implizit” und “explizit” haben es für sich genommen durchaus in sich, vor allem, wenn man bereit ist, sie für Lern- und Bildungsprozesse in Anschlag zu bringen. Neben definitorischen Fragen treten sie hier vor allem in ihrer impliziten Form in Konkurrenz zu etablierten Konzepten wie z.B. der Enkulturation oder der Sozialisation. Es kann aber – theoretisch gestützt – sinnvoll sein, diese Theoriekonkurrenz zuzulassen. Beispielsweise – nicht nur bei Bourdieu ist das zu finden – gibt es habitualisierte Wissensformen, die sehr basale Weichenstellungen für pädagogische Begegnungen zur Folge haben, z.B. in der Einrichtung und Gestaltung von Beratungsräumen, den darin ablaufenden Ritualen der Begrüßung und Inszenierung von Hilfe etc.. Es lohnt dann, solche Wissensformen nicht nur als biographisch und milieugebunden erworbene Sozialisationsresultate zu sehen, sondern sie analytisch in die Geneseprozesse pädagogischer Fachlichkeit zu integrieren. In den folgenden Artikeln dieser losen Reihe zum 2×2 der Wissensformen wird es darum gehen, die vier Felder dieser Kreuztabelle mit einigen empirischen Studien und Theoriereflexionen zu füllen und auf diesem Weg eine verflochtene Perspektive auf die Herausbildung gelingenden pädagogischen Handelns zu entwickeln.