Nachlese: Fachforum Onlineberatung 2019

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Den Kolleg*innen aus Nürnberg – vor allem Richard Reindl und Emily Engelhard und der zugehörigen Tagungsmannschaft – ist es geglückt, wieder ein interessantes Fachforum zu organisieren. Zum 12. Mal ging es an diesem zweitägigen Kongress um Onlineberatung, diesmal unter dem Schwerpunktthema Soziale Innovation.

Frisch von der TH Nürnberg zurück, gehen mir dazu einige Gedanken durch den Kopf. Zunächst fällt mir nach wie vor die große Heterogenität in den Wissensständen auf – der Kongress hat sich darauf seit einigen Jahren insofern eingestellt, als dass es „Newcomer*innen-Workshops“ in einer Art Pre-Conference-Programm gibt. Das zeigt, dass sich dauerhaft neue, auch junge und gerade ins Berufsfeld der Sozialen Arbeit eintretende Kolleg*innen für das Thema Soziale Arbeit im Zeitalter ihrer Digitalisierung interessieren. Was wir zukünftig mehr voranbringen müssen, wäre aber konsistente Theoriearbeit zum Themenkomplex Digitalisierung in der Sozialen Arbeit. Für Onlineberatung ist beispielsweise noch nicht einmal geklärt, ob sie als Technik, Methode oder Arbeitsfeld aufzufassen ist, will man der gängigen Systematik von Michael Galuske folgen – dabei ist das Beraten im Internet längst nicht mehr die einzige digital unterstützte Tätigkeit in der Sozialen Arbeit.

Hat Spass gemacht: Die zwei Workshopdurchgänge mit unterschiedlichen, aber diskussionsfreudigen Gruppen

In meinem Workshop habe ich deshalb versucht, einmal hinter und unter die rührige Diskursoberfläche der Szene zu blicken, um utopische und medienkonservative Momente zu identifizieren und Digitalisierung als kulturellen Wandel mit den zugehörigen Ungleichzeitigkeiten aufzufassen. So fällt mir auf, dass die Praxis der Onlineberatung seit einiger Zeit in einer eigenen Filterblase steckt, in der sie ihre Theorien kleiner Reichweite ausführlich ventiliert und damit immer neue Zielgruppen und Beratungsthemen erschließt, dabei aber oft den Anschluss an übergeordnete Digitalisierungsprozesse verliert. Hybridisierung wird beispielsweise vornehmlich gedacht als Verbindung zwischen kopräsenter und medial operierender Kommunikation, während beispielsweise das Biohacking, auch als jugendkulturelles Phänomen, Hybridisierung in ganz anderer Hinsicht intendiert – nämlich als Verschmelzung zwischen der biologischen Existenz und artifiziellen, digitalen Medien. Daraus entsteht das transhumane Moment, das man unterschiedlich bewerten mag, um das man aber nicht umhin kommt – auch in der Sozialen Arbeit nicht. 

Geraldine de Bastion ging in ihrer Keynote auf ein fast schon ikonisches Gerät ein: Roboter-Robbe Paro für Demenzkranke

Toll war deshalb, dass die Keynote von Geraldine de Bastion die Vielfalt von Digitalisierungsprozessen zugänglich gemacht hat und dabei  – Stichwort Big Data und KI – auch manche für die Soziale Arbeit noch unbekannte Szenarien vorgestellt hat, z.B. die Echtzeitauswertung von Texten in Sozialen Netzwerken zum Erkennen von Menschen in suizidalen Krisen. Auch daran konnte ich in den Diskussionen in meinem Workshop gut anknüpfen – denn KI-Unterstützung im Kinderschutz und Beratung, die nur durch Algorithmen angeboten wird und ohne menschliche Fachkräfte auskommt, sind bereits Realität. Verhandelt wird dort längst nicht mehr, ob solche Angebote wirken (das tun sie), sondern für welche Beratungs- und Therapieanliegen und Adressat*innengruppen eine Arbeitsbeziehung zu einer KI, einem Menschen oder einer Kombination am besten ist.

Die allfälligen Fragen, ob und wie sich das unter einer ethischen Perspektive legitimieren lässt, was Fachkräfte brauchen, um solche Technologien gewinnbringend einzusetzen und was das für die Fort- und Weiterbildungslandschaft bedeutet, waren deshalb der ständig mitlaufende Subtext der gesamten Tagung. Ich jedenfalls war froh um die zahlreichen kritischen, aber produktiven Stimmen, die das Kongressthema hinterfragt haben.

Der Abschlussvortrag schließlich war mit dem Thema des spielerischen Erzeugens von  Motivation (Gamification) vielleicht auch ein impliziter Hinweis darauf, dass wir in der Sozialen Arbeit trotz des gebotenen Ernstes auch mutiger sein sollten, manche Dinge einfach auszuprobieren. Schließlich wecken digitale Medien in vielen Kolleg*innen auch den Homo Ludens – wir sollten ihm ab und an nachgeben, damit es voran geht.

Soweit also ein paar Gedanken als sehr subjektive Nachlese – selber einen Workshop anzubieten bedeutet ja immer, einem Großteil der Tagung selbst nicht folgen zu können. Es wird deshalb sicherlich lohnenswert sein, auch die anderen Blogger*innen zu lesen.

Die offizielle Tagungsdoku – auch mit Foliensätzen – wird es bald wie üblich auf den Seiten des Fachforums Onlineberatung geben.

 

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