Die Verwaltung vager Dinge als sozialpädagogische Expertise

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Sozialpädagogische Expertise: Umgang mit komplexen Knäueln statt deren völlige Entwirrung. Bild: snd63/pixabay, CC0

In einem der kommenden Buchbeiträge wird es – logischerweise – wieder um Wissensbildung und gelingendes sozialpädagogisches Handeln gehen. Leitend sind in meiner Forschung dabei ja immer Differenzlinien zwischen verschiedenen Wissensarten und den damit einhergehenden Professionalisierungsprozessen, dazu habe ich ja hier schon viel geschrieben.

Durch viele Rückfragen (Danke! – so lange Kommentare wegen DSGVO weiterhin nicht möglich sind bitte nach wie vor per E-Mail) habe ich gelernt, dass ich eine Sache vielleicht bisher zu wenig expliziert habe: Meine Auffassung von der Natur der Sache Sozialer Arbeit. Es geht mir dabei jetzt weniger um die begriffliche Fassung, also ob man sie als Exklusionsvermeidung, Inklusionsherstellung, Menschenrechtsprofession etc. bezeichnet, sondern wie auf einer phänomenologischen Ebene die Gestalt von Fragestellungen Sozialer Arbeit aufzufassen sind.

Aus Sicht der Wissensbildung ist dabei klar, dass es im Wirken sozialpädagogischer Expertise um das geht, was Peter Fuchs die Verwaltung vager Dinge nennt. Damit ist gemeint – er ist hier streng Luhmannianisch orientiert – dass Soziale Arbeit keine eindeutige Codierung besitzt, entlang derer sie ihre Programme strukturiert und Entscheidungen trifft. Solche Codierungen gibt es in anderen Funktionssystemen – in der Medizin als krank/gesund, in der Wirtschaft als Zahlung/nicht Zahlung, im Recht als Recht/Unrecht etc.

Trotz vieler Versuche ist es bisher eben gerade nicht gelungen, eine solche Codierung für Soziale Arbeit im Ganzen zu finden und theoriekonsistent durchzuhalten. Und hier ergibt sich auch die konkrete Verbindung zu Professionalisierungsforschung. Weil es in der Sozialen Arbeit eben gerade nicht um den Erwerb und die Anwendung von Techniken und Methoden geht, die auf die Bearbeitung eindeutig definierbarer Fragestellungen zielen, bleibt nichts anderes, als dieses Problem in die Theoriebildung zu Professionalisierung mit aufzunehmen. Diese Aufnahme ist ganz natürlich, und vielleicht zu selbstverständlich, erfolgt. Sie zeigt sich in Texten zu Professionalisierung in der Beschreibung von “ill definierten” Problemen oder der Notwendigkeit, wissenschaftliches Wissen von der Codierung wahr/falsch in die Lebenswelt zu übersetzen, in der angemessen/unangemessen als sinngebende Leitunterscheidung gilt. Das schließt nicht aus, dass fallweise Teilfragestellungen als konkrete Probleme innerhalb eines sozialpädagogischen Falles identifizierbar sind.

Daraus ergeben sich bedeutsame Schlüsse auf alte Professionalisierungsfragen. Es zeigt sich nämlich dann, dass Soziale Arbeit immer so lange eine Defektlogik auf sich selbst anwendet, so lange sie auf der meist unbewussten Suche nach der universalistischen Leitunterscheidung bleibt. Statt dessen – das schlägt Peter Fuchs vor – kann man auch eine professionelle Haltung daraus entwickeln, dass die eigene Fachlichkeit darin besteht, mit vagen Dingen umzugehen – Beratung und Psychotherapie sind seine Beispiele, es gilt aber streng genommen für die gesamte Soziale Arbeit. Eine solche Fachlichkeit ist eben gerade kein Dilettantismus, sondern eine spezifische Expertise. Und selbstverständlich beinhaltet diese Expertise des Umgehen Könnens mit vagen Dingen auch Techniken und Methoden sowie generalistische Wirkfaktoren sozialpädagogischen Könnens. Die Betrachtung von Techniken und Methoden darf dabei nur nicht zu dem falschen Schluss führen, dass bei einer genügend hohen Methodenkompetenz vage Probleme in einfache Fragestellungen umschlagen.

Besser als Peter Fuchs selbst kann man es vermutlich gar nicht erläutern:

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