Gute News: Das Bundesfamilienministerium unter Dr. Katarina Barley und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege haben gestern in einer gemeinsamen Absichtserklärung Ziele für das rasche Voranbringen von Digitalisierungsstrategien im Sozialen Sektor formuliert (im Originalwortlaut samt Downloads hier).
Das war überfällig, denn vor allem in den Kerngeschäften der Sozialen Arbeit herrscht bis heute eine starke Ambivalenz gegenüber diesem bedeutsamen Thema vor: Zum einen gibt es einige Pilotprojekte in allen Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit, zum anderen sind diese aber häufig nur Feigenblätter für eine immer noch vorherrschende Technikferne dieses Sektors. Begreift man Digitalisierung in der Sozialen Arbeit als intersektionale Fragestellung, so wird schnell klar, dass dies ein hochkomplexes und deshalb für Forschung und Entwicklung herausfordernderndes Thema ist. Alleine auf der Seite der Fachkräfte und ihrer Organisationen spielen hier Generationeneffekte, habituelle Orientierung aus der eigenen Mediensozialisation, aber auch vorherrschende Arbeitskonzepte mit einem oft impliziten Primat der unbedingten persönlich-kopräsenten Begegnung sowie die strukturellen Ordnungen der Sozialen Arbeit eine Rolle, die im Gegensatz zur entörtlichten und entzeitlichten Logik der digitalen Innovationchancen stehen. Diese – die Chancen – werden von vielen Adressatinnen und Adressaten Sozialer Arbeit aber gerne genutzt, und zwar gerade nicht nur von den vielzitierten medienaffinen Jugendlichen, sondern auch von Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einrschränkungen, eines weit fortgeschrittenen Lebensalters, einer Behinderung oder einem Wohnsitz in strukturschwachen Gebieten profitieren können – oder zumindest könnten.
Beratung im Internet kann als eine der wenigen Hilfeformen Sozialer Arbeit auf eine bereits etablierte Geschichte der Befassung mit Digitalisierungsthemen gelten, weshalb ich mich freue, dass eines meiner Arbeitsthemen – vor zehn Jahren noch mit Exotenbonus versehen – nun langsam in der Mitte der Professionalisierungsprozesse ankommt. Wer sich dafür interessiert: Die Kolleginnen und Kollegen an der TH Nürnberg sind hier Vorreiter, bieten Zertifikatskurse an und veranstalten jährlich einen Fachkongress zu diesem Thema (dieses Jahr bereits ausgebucht). Infos finden sich auf den Seiten des e-beratungsinstitutes. Artikel aus Forschung und Entwicklung bezüglich Beratung im Internet kann man im e-beratungsjournal nachlesen und auch auf Emelys Blog.
Für die Lehre an Hochschulen und die Ausbildung an Fachschulen reichen solche Einzelinitiativen aber nicht aus. Digitalisierungsthemen sind in der Fläche (sowohl bezogen auf die Hochschullandschaft als auch die verschiedenen Arbeitsbereiche Sozialer Arbeit) noch eher randständig, werden von engagierten Einzelpersonen (die längst keine Early Adopters mehr sind…) vertreten und sind wenig curricular verankert.