Ziemlich oft werden hier die Blogartikel zur Digitalisierung gelesen, und eine oft dazu gestellte Frage ist: Wie und mit was genau komme ich im digitalen Wissenschaftsalltag zurecht und was mache ich anders als früher (ich winke mal heftig zu Thomas nach Bielefeld)?
Seit meinem Forschungssemester mit dem Experiment „Vier Monate papierlos“ drucke ich viel, viel weniger. Allerdings ist der Verzicht auf Papier nur ein sehr kleiner Teil meiner persönlichenweiterlesen
In einem der letzten Blogposts habe ich von einem Digitalisierungsexperiment mit maximalem Ernscharakter berichtet: Dem (fertig) schreiben eines Buches alleine mit dem iPad Pro und MS Office. Das hat prima funktioniert, einschließlich dem Erstellen von Grafiken und es wäre im Ernstfall auch kein Windowsrechner als fallback verfügbar gewesen. Seitdem nehme ich auch auf längere (Dienst)reisen und Tagungen nichts anderes als das iPad mit. Durch die immer noch recht restriktive Appzulassung im iOS-Universum gibt es zwar nicht für alle Aufgaben Dutzende Programme, aber bisher immer eine sehr vernünftig funktionierende Lösung, oft nach dem Motto „reduced to the max“. Das ist für mich die erste Stufe einer echten Digitalisierung, die einen Unterschied im Alltag macht: Ein sehr, sehr leichtes Tablet mit der Rechenleistung eines Notebooks ist schlicht ultrapraktisch, es ist ein neues Lebens- und Arbeitsgefühl. Denn auch das leichteste Notebook habe ich nicht immer mitgenommen, das iPad hingegen ist überall dabei, da es ewig mit einer Akkuladung läuft und im Ruckack dank der Schmalheit schlicht verschwindet. Es ist mir auch – ein weiterer Unterschied zu einer Windowsmaschine – noch nie mit dubiosen Treiberupdates oder sonstigem Softwareungemach abgestürzt und unbrauchbar geworden.
Die wesentliche Innovation ist aber nicht nur die Größe und der Touchscreen, sondern der Apple Pencil. Denn damit ist das iPad tatsächlich zum vollkommenen Ersatz für alle papiergebundenen Tätigkeiten geworden. Hausaufgaben und Abschlussarbeiten als .pdf sind auf dem Tablet in beliebiger Menge in A4 transportierbar, lesbar und vor allem mit Notizen versehbar. Eine Vorlage für die Notengebung und Rückmeldung kann ich (denn von Hand schreiben hilft mir immer noch beim Denken) wie gehabt ausfüllen und hinterher bei Bedarf per E-Mail versenden. Ebenso geht das mit Fomularen aller Art, Rechnungen aus der Buchhaltung zum Abzeichnen etc. Ich habe es noch nicht ausgerechnet, aber wenn ich konsequent durchsetzen könnte, dass Hausarbeiten und zumindest das Korrekturexemplar von Abschlussarbeiten elektronisch abgegeben werden, dann sind das einige Stapel Papier, die nicht für diese Einmalverwendung bedruckt werden müssen…
Und schlicht genial wird es, wenn es um die Haupttätigkeit in der Wissenschaft geht: Dem Lesen. Noch nie konnte ich so entspannt auf eine immer größer werdenden Menge an Artikeln und Büchern zugreifen, wobei hier ein weiteres Gadget seine Schuldigkeit tun muss: Der neue Buchscanner frißt mehrere hundert Seiten in wenigen Minuten, verfügt über eine automatisierte Verzerrungskorrektur (per Lasermessung) für ein gutes und lesbares Aussehen der Seiten und erstellt nach kurzer Zeit ein durchsuchbares .pdf per OCR. Und in dieser Datei kann ich dann wiederum wie gehabt anstreichen, Bemerkungen machen etc. – und dies nebenbei viel freier als mit dem Original, und bei Bibliotheksexemplaren verbietet sich das ja sowieso.
Die Digitalisierung, sie ist also für mich schon da. Und wenn ich über den Wissenschaftsalltag nachdenke, dann komme ich zu dem Schluss, dass wir einfach mehr alltägliche Digitalisierungskultur leben könnten, anstatt auf die durch Programme und Maßnahmen verordnete „digitale Revolution oder Disruption“ zu warten. Schließlich geht es in der Mehrzahl der Digitalisierungsaufgaben nicht um das Erfinden neuer Vorgänge und Tätigkeiten, sondern die Nutzung bereits vorhandener Technologie, um Dinge effizienter, bequemer und nachhaltiger zu erledigen. Und das betrifft nicht nur den engen Kernbereich der hier geschilderten Tätigkeiten, sondern auch die oft genannten Digitalisierungsformen in Lehre und Forschung – Lernplattformen, Datenbanken, Soziale Netzwerke, Videohostingseiten, das ist alles schon da. Wir können also zugreifen.