Finn, Frieda, Hope und Valeria sind vier Kinder mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten. Was sie vereint ist, dass sie vor kniffeligen, ärgerlichen oder traurigen Fragen stehen, weil etwas nicht so klappt, wie sie es sich wünschen. Ärger mit Lehrer:innen oder Eltern, Einsamkeit oder Missachtungserfahrungen in Beziehungen mit Gleichaltrigen sind Probleme, die sie in die Kinder- und Jugendsprechstunde einer Beratungsstelle führen. Soweit ist dies Alltag in der BRD. Alleine in der offiziellen Statistik zur Erziehungsberatung zeigt sich, dass 3 von 100 Kindern und Jugendlichen Beratungserfahrung haben, dazu kommen die nicht repräsentativ erfassten Beratungen z.B. im Rahmen der Schulsozialarbeit, der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder der zahlreichen Fachberatungsstellen für spezielle Themen wie Sucht, Überschuldung oder Suizidgefahr – vermutlich nehmen eher 30 von 100 Kindern und Jugendlichen irgendwann beraterische Hilfe in Anspruch.
Das besondere an Finn, Frieda, Hope und Valeria ist, dass sie von den Theaterkindern in unserem KidsLab-Projekt (gefördert von der Nikolaus Koch Stiftung Trier) dargestellt werden. Die Lebensgeschichten und die darin eingelagerten Probleme, die sie in den Beratungen thematisieren, sind theaterpädagogisch inszenierte, aber sehr real wirkende Lebensgeschichten. Diese hat unsere Theaterpädagogin Lisa Höpel mit unserem Kinderensemble so erarbeitet, dass auch erfahrenen Fachkräften nicht auffällt, dass junge Schauspieler:innen vor einem sitzen. Finn, Frieda, Hope und Varleria sind in ihrem echten Leben also ganz anders (neue Namen und Klamotten gehören deshalb zu ihren Geschichten). Sie stehen mit ihrem Einsatz in unserem Projekt stellvertretend für viele Kinder, die in Deutschland Hilfe suchen und hoffentlich auf professionell handelnde Fachkräfte treffen, wie dies im Sozialgesetzbuch und der UN-Kinderrechtskonvention gefordert wird.
An dieser Stelle schließen sich mehrere Kreise: Vom Theater zur Universität sowie von allgemeinen Fragen der Studienganggestaltung zu den aktuellen Herausforderungen im Kontext des Fachkräftemangels, in dem mehr denn je Kinder, Jugendliche und Familien auf wirksame und professionelle Fachkräfte angewiesen sind. Ab diesem Semester können meine Studierenden, eng begleitet in zugehörigen, praktisch ausgerichteten Lehrveranstaltungen, mit Finn, Frieda, Hope und Valeria Beratungserfahrungen sammeln. Im geschützten Rahmen einer Simulation, und mit den Theaterkindern als Lernhelfer:innen.
Damit sind wir im deutschsprachigen Raum die erste Arbeitsgruppe, die ein solches Angebot vorhält, und wir sind gespannt auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung. Ich danke an dieser Stelle der Nikolaus Koch Stiftung Trier ganz besonders für die vertrauensvolle Förderung, durch die wir trotz hoher Unwägbarkeiten aufgrund der pandemischen Universitätsschließungen beginnen konnten. In unserer Forschung nehmen wir zu Beginn ganz stark die Perspektive der Kinder und ihrer Eltern in den Blick – schon jetzt können wir aber sagen, dass es den Kindern großen Spaß macht und sie ihre Aufgabe als Beratungslernhelfer:innen sehr ernst nehmen. Den Eltern unserer Theraterkinder gilt dabei ein ganz besonderer Dank – sie machen die Teilnahme nicht nur praktisch möglich, sondern sind interessiert an unserer Arbeit: Zur “Generalprobe” gestern waren die Eltern aller Theaterkinder da, und wir haben in Gruppendiskussionen mit den Eltern und den Kindern ein erstes Fazit gezogen, bevor es nun im Lehrbetrieb für die Studierenden aus dem virtuellen Sekretariat unserer simulierten Beratungsstelle Sorgstadt heißt: “Angemeldet zum Erstgespräch in der Kinder- und Jugendsprechstunde ist Frieda, 14 Jahre …”
Video mit Lisa Höpel, unserer Theaterpädagogin: