Es dürfte eine der am meisten diskutierten Fragen angehender Berater*innen in der Sozialen Arbeit sein: Haben erfolgreiche Beratungsfachkräfte eine besondere Persönlichkeit? Sind manche Aspekte vielleicht gar prädisponiert? Gibt es womöglich „geborene Berater*innen“, so wie es in der Pädagogik die sozialromantische Idee der geborenen Erzieher*innen gibt?
Diese Frage kann ausgekoppelt aus einer größeren Publikation, die derzeit entsteht, empirisch beantwortet werden. Unter den sehr realistischen Bedingungen des BeraLab haben wir 115 Berater*innen in frühen Professionalisierungsstadien (nämlich im Studium, Semester 1-12) Beratungsgespräche führen lassen, die realisierte Beratungskompetenz in einer Videostudie gemessen und die Berater*innen nach zentralen Aspekten der Persönlichkeit befragt. Zum Einsatz kam dabei ein Kurzinventar zu den Big Five, der Fünf-Faktoren-Theorie der Persönlichkeit, eine Skala zur Selbstwirksamkeit sowie die Erfassung der globalen Vorerfahrung mit der Hilfeform Beratung und das konsekutive Fachsemester.
Und was kam raus? Die Studie zeigt, dass auch für berufsbiographisch junge Berater*innen gilt: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Beratungskompetenz und bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, auch dann nicht, wenn man sehr differenziert zwischen Beziehungsgestaltungskompetenzen (in der Tabelle als IABS aufgeführt) sowie technisch-methodischen Kompetenzen (in der Tabelle als TMS bezeichnet) differenziert.
Allerdings zeigen sich – das ist für mich als Professionalisierungsforscher sehr beruhigend – erwartungskonforme Zusammenhänge zwischen Vorerfahrung, Semesteranzahl und Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Es ist also so, dass mit steigender Semesteranzahl und steigender Vorerfahrung eine höhere gemessene Beratungskompetenz einhergeht. Bei der Selbstwirksamkeit sieht es – auch das ist spannend und erwartungskonform – differenziert aus. Hier geht ein hoher Selbstwirksamkeitswert mit hoher technisch-methodischer Beratungskompetenz einher, während die Beziehungsgestaltungsfähigkeit nicht mit Selbstwirksamkeitserleben assoziiert ist.
Beratungslernende und Beratungslehrende können daraus mehrere Dinge ableiten: Eine erfolgreiche Beratungsfachlichkeit ist auch in ihren frühen berufsbiographischen Stadien nicht an spezifische Persönlichkeitsprofile gebunden. Jeder Jeck´ is anders (und darf es auch sein) – das gilt auch und gerade für die Beratung. Es wäre ja auch schade, wenn wir eine glattgebügelte und stromlinienförmige Beratungslandschaft mit austauschbaren Fachkräften hätten. Und der Befund ist auch deshalb ermutigend, weil die Forschung zeigt, dass Persönlichkeitsmerkmale zum Teil genetisch fixiert und nur schwer veränderbar sind.
Hingegen ist ein hohes Selbstwirksamkeitserleben mit höheren Beratungskompetenzwerten assoziiert – und Selbstwirksamkeit kann man trainieren. Und schließlich ist, auch und gerade im Hochschulkontext beruhigend: Zeit (Semesteranzahl) und Erfahrung sind relevant. Das heißt natürlich nicht, einfach Däumchen zu drehen und nicht intensiv zu lernen, im Gegenteil. Aber es verweist eben auch auf die Entwicklungsgebundenheit und den zugehörigen Zeitaspekt im Beratungskompetenzerwerb.
Einschränkend für diese Ergebnisse ist, dass in der vorliegenden Studie keine besonders abweichenden Persönlichkeitsprofile vertreten waren, was angesichts der untersuchten Studiengänge (Soziale Arbeit, Schulpsychologie) erwartbar war. Bei Vorliegen einer solche Ausprägung ist sicherlich auch in der Beratung, ähnlich wie dies für das Management im Sinne der dunklen Triade erwiesen ist, von einer schädlichen Wirkung auf professionelles Handeln auszugehen.