Freeware für sozialwissenschaftliche Datenanalyse

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Das Problem ist vielen KollegInnen bekannt: Trotz mancher Verbesserung was die Vergabe von Campus-Lizenzen und das Einrichten von Computerpools angeht, ist die Verfügbarkeit brauchbarer Analysesoftware in der sozialwissenschaftlichen Forschung bis heute an vielen Hochschulen ein Problem. Insbesondere wenn es um die Heranführung an eigenes forscherisches Tätig sein geht, müssen StudentInnen Software aber auf dem eigenen Rechner installieren können, um – idealerweise mit eigenen Daten – Analyseschritte nachvollziehen zu können. Die folgende Liste von vier Analyseprogrammen bietet Auswertungsmöglichkeiten für ganz unterschiedliche Daten und Fragestellung und ist durch drei aus meiner Sicht wichtige Kriterien gekennzeichnet: Die aufgeführten Programme (a) sind Freeware, (b) werden von vertrauenswürdigen AutorInnen (meist WissenschaftlerInnen) entwickelt und (c) sie sind keine Eintagsfliegen.

BORIS: Boris ist eine Videoanalysesoftware, die von Olivier Friard and Marco Gamba an der Universität Turin entwickelt wird. Beide sind Biologen, was aber der Sache keinen Abbruch tut, das Programm für jede Art von videographischer Fragestellung zu nutzen. Time- und Eventsampling sind möglich. Die Codes lassen sich frei konfigurieren (Benennung, Zuweisung von Shortcuts) und recht komplex mit Modifikatoren anreichern. Interessant ist auch die Möglichkeit, Coding Maps zu erstellen, mit denen sich nicht nur Zeitdauer- und Ereigniscodes vergeben lassen, sondern räumliche Geschehnisse abbildbar werden. Daneben erlaubt BORIS noch Codes für Subjekte zu vergeben. Diese lassen sich später mit einem Shortcut aktivieren, so dass die Time-, Event- und Mapcodes noch nach Personen differenziert zugewiesen werden können. Prima ist, dass Boris in der Videodarstellung auf den VLC (VideoLanClient) aufsetzt und so alles als Input nutzen kann, was dieser an Formaten abspielt – und das sind nahezu alle gängigen Codecs, inklusive der meisten Handyvideodateien. Die Ergebnisse können in gängige Tabellenkalkulationen (und damit auch nach SPSS o.ä.) exportiert werden, so dass z.b. ausgefeilte Zeitbudgetanalysen möglich sind. Daneben sind aber schon fertige Auswertungsmöglichkeiten in BORIS implementiert, so dass die Codes z.B. als graphische Sequenzen abbildbar sind. Boris kann hier heruntergeladen werden: http://penelope.unito.it/boris

OpenCode: OpenCode ist eine an der Uni  Umeå in Schweden entwickelte Software für die Analyse qualitativer Daten. Diese müssen im .txt-Format vorliegen. Sind die Texte einmal importiert, ist die Arbeit mit OpenCode recht intuitiv – das Userinterface ist in einfach verstehbarem Englisch gehalten. Die Software legt ForscherInnen nicht auf eine bestimmte Auswertungsmethode fest. So bietet die Memo-Funktion die Möglichkeit, ganz im Sinne der Grounded Theory vorzugehen, während verschiedene, auch ineinander verschachtelbare Codiermöglichkeiten, es auch erlauben, im Sinne des inhaltsanalytischen Vorgehens nach Mayring zunächst Paraphrasen und dann Codes zu erstellen. Ein “Synthesemodul” erlaubt, Codes zusammenzuführen und Zusammenhänge im Material darzustellen. Einziger Wehmutstropfen ist die fehlende Exportmöglichkeit, die jedoch bei qualitativen Projekten nur dann wichtig ist, wenn ein Mixed-Method-Ansatz durchgeführt werden soll. OpenCode kann hier heruntergeladen werden: https://www.umu.se/en/department-of-epidemiology-and-global-health/research/open-code2/

PSPP: Vermutlich ein Freeware-Klassiker, den viele kennen. Die Buchstabenkombi ist kein Zufall – PSPP wird als Ersatz für das Statistikpaket SPSS entwickelt. Das ist freilich eine große Aufgabe und vieles, was die kommerzielle Lösung hat, findet sich bei PSPP (noch) nicht. Wichtige Dinge sind aber bereits an Bord, funktionieren prima und haben beim Nachrechnen mit anderen Lösungen keine Auffälligkeiten ergeben. So finden sich die üblichen Tests für Mittelwertvergleiche (T-Tests und ANOVA) und auch die wichtigsten multivariaten Verfahren wie Faktorenanalyse und Regression sind (zumindest in einfachen Versionen) dabei. Auch ein paar Diagrammarten sind vorhanden, u.a. die für explorative Inaugenscheinnahme wichtigen Scatterplotts und Histogramme. PSPP liest und schreibt SPSS-Dateien – insgesamt also eine wirklich brauchbare Lösung für das meiste, was man mit Studierenden üben muss. PSPP steht als Download hier bereit: https://www.gnu.org/software/pspp

Ωnyx:  Ωnyx ist eine von Dr. Andreas Brandmaier an der Universität Virginia und dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung entwickelte Freeware zur Strukturgleichungsmodellierung. Neben den ständig sich erweiternden Funktionen (z.B. Schätzung von Faktorwerten mit Abspeicherung in einem neuen Datenset) sind die mit Ωnyx gezeichneten SEMs schöner als die der kommerziellen Konkurrenz. Selbst wenn ich mit AMOS rechne, erwische ich mich oft dabei, dass ich die Abbildung für einen Aufsatz mit Ωnyx erstelle 😉 Ωnyx lässt sich hier downloaden: http://onyx.brandmaier.de

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