Jetzt ist (ich liebe das Internet) aufgrund der verblüffend hohen Seitenaufrufe des Beitrages zu Beratungskompetenz und Persönlichleit und den vielen tollen Mails, die ich dazu gekriegt habe, automatisch ein Zweiteiler entstanden. Denn ich werde nicht nur oft gefragt, ob es einen Zusammenhang zwischen kompetentem Handeln und Persönlichkeit in der Beratung gibt, sondern auch, ob bestimmte Persönlichkeiten das Beraten besser oder schlechter lernen als andere.
Wiederum für den bisher sehr wenig beforschten Bereich der frühen berufsbiographischen Stadien lässt sich auch das verneinen, zumindest was die eher kurzfristigen Lerneffekte angeht.
Und wie haben wir das herausgefunden?
In einer Studie haben wir Beratungslernende zweimal ein Beratungsgespräch mit unseren trainierten Schauspieler*innen im BeraLab führen lassen. Weil uns interessiert hat, wie gut man Beratung vermitteln und lernen kann, hat die Hälfte der Teilnehmer*innen zwischen den beiden Gesprächen ein an den eigenen fachlichen Entwicklungsaufgaben ausgerichtetes Kompaktseminar besucht, die andere Hälfte hat nur die beiden Beratungsgespräche absolviert (und das Seminar zu einem späteren Zeitpunkt gemacht).
Die realisierte Beratungskompetenz in den beiden Gesprächen haben wir wieder mit der TBKS gemessen. Die Unterschiede zwischen den beiden Gesprächen („Gain Scores“) stellen dabei eine Maßzahl für den Lernzuwachs auf den beiden Beratungsteilkompetenzen Beziehungsgestaltungsfähigkeit (IABs) und technisch-methodischem Beratungshandeln (TMs) dar. Ebenso wie in der ersten Studie haben wir mit einem Fragebogen die Vorerfahrung, die Anzahl der bereits studierten Semester, die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und die Persönlichkeitsmerkmale erhoben.
Und was kam raus? Der Lernerfolg in unserer Interventionsstudie wird von der Selbstwirksamkeit (entspricht einem kleinen Effekt) beeinflusst, aber nicht von Persönlichkeitsmerkmalen, Vorerfahrung und bisheriger Studiendauer.
Das ist aus mehreren Gründen wieder bereichern für den Kontext Hochschul- und Weiterbildungsforschung, in dem unsere Studien verankert sind. Dort spielt nämlich zunehmend die Heterogenität von Lerngruppen eine Rolle. Und es ist natürlich wieder für Lerner*innen, die das oft beschäftigt, bereichernd, dass man mit unterschiedlich gestrickter Persönlichkeit gut beraten lernen kann und der Lernerfolg von einem gut trainierbaren Faktor abhängt, für den die Vorhersagekraft auch in vielen weiteren Bereichen professioneller Tätigkeiten nachgewiesen ist. Persönlichkeitseigenschaften lassen sich ja im Gegensatz zur Selbstwirksamkeit eher schwer verändern.
Natürlich gelten hier auch wieder die im ersten Artikel berichteten Einschränkungen, dass bei den teilnehmenden Studierenden keine stark abweichenden Persönlichkeitsstrukturen vertreten waren, von denen man annehmen könnte, dass sie einen Effekt auf den Lernerfolg haben. Und zweitens hat das Seminar in unserer Interventionsstudie einen stark auf individuelles Lernen abstellenden Charakter und ermöglicht extrem ausdifferenzierte Lernwege, die für jede Teilnehmer*in als Entwicklungsaufgabe beschrieben werden. Es kann also sein, dass in weniger differenzierten Lernumgebungen doch wieder Abhängigkeiten eintreten, wenn die Lernstruktur zu starr ist und spezifische Voraussetzungen der Lerner*innen etwas anderes erfordern würden. Und drittens lässt sich mit dieser Studie natürlich nichts darüber aussagen, ob langfristige Lern- und Bildungseffekte in der Beratungsprofessionalisierung nicht doch von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen beeinflusst werden. Aber wir haben ja erst angefangen mit unserer Forschung – bleibt also, gerade was das untersuchen längerer Entwicklungsprozesse angeht, noch viel zu tun.
PS: Bei Fragen – könnt ihr mir gerne eine E-Mail schreiben. Die Kommentarfunktion habe ich wegen der DSGVO erstmal ausgeschaltet. Wenn sich Frageschwerpunkte herauskristallisieren, mache ich einfach wieder einen Blogpost dazu – so wie diesen hier.