Virtuelle Räume in der Sozialen Arbeit: Nachlese zum Kongress Sozialplanung und Digitalisierung

3 Min. Lesezeit
Twitterfeed zu Beginn der VSOP-Tagung

Welchen Bezug hat die Soziale Arbeit zur Digitalisierung, was die Planung ihrer Angebote betrifft? Sind Theorien und Praktiken des Umgangs mit virtuellen Räumen verzahnt genug? Wie reagiert das Planungssystem wohlfahrtsstaatlicher Hilfen auf die unterschiedlichen Herausforderungen der Ent-Räumlichung und Ent-Zeitlichung durch digitale Medien?

Vergangene Woche hat der Kongress Sozialplanung und Digitalisierung stattgefunden. Er war die Jahrestagung des VSOP (Verein für Sozialplanung), dem bundesweiten Zusammenschluss aller Sozialplaner*innen und wurde von Markus Emanuel zusammen mit der Digitalstadt Darmstadt organisiert.

Thomas Ley von der Uni Bielefeld hielt die Keynote und machte deutlich, dass es sich bei der Digitalisierung um einen umfassenden, kulturellen Wandel handelt, der mindestens drei Dimensionen betrifft: Automatisierung, Informatisierung und Transformation. Während Prozesse der Automatisierung relativ leicht als Oberflächenstruktur der Digitalisierung verstehbar sind (indem z.B. ein Papierantragsverfahren in eine interaktiv ausfüllbare Form überführt wird, dabei aber die skeuomorphe Form behält), betrifft die Informatisierung bereits die tiefer liegenden Schichten der Alltags- und Arbeitskultur, die nicht ohne weiteres reflexiv zugänglich sind. Gemeint ist damit nämlich, dass durch Informatisierung flüchtige Akte eine materielle, gegenständliche Form finden. Digitalisierung in der Sozialen Arbeit bringt eine enorme Menge solcher absichtlich oder beiläufig erzeugten materiellen Korrelate ihres Tuns hervor – automatische Dokumentationen durch den Softwareeinsatz, aber auch der massiv gesteigerte, aktive Einsatz digitaler Medien wie z.B. in den zahlreichen Videofeedback-Interventionen (z.B. Marte Meo) oder die Kommunikation über Messenger ist hier zu nennen. Und schließlich wandelt sich auch der Wandel selbst – “analoge” Planungsinstrumente und Szenarien werden durch digitale Optionen massiv herausgefordert – sowohl was die Möglichkeiten der Datenerzeugung als auch die der Datenauswertung und Planung betrifft. Was tut eine Kommune, wenn sie erfährt, dass die aus guten Gründen eingerichtete Onlineberatungsstelle nachweislich vor allem von Ratsuchenden außerhalb des planerischen Sozialraumes genutzt wird.  Macht dann ein Festhalten an herkömmlichen Raumkonzepten noch Sinn oder lassen sich diese durch überschaubare Ergänzungen erweitern?

Workshop-Programm zu virtuellen und physischen Orten

Das war die Frage in meinem Workshop zu Orten und Angeboten: Veränderungen von physischen und virtuellen sozialen Räumen. Nach drei provokativen Thesen zur Frage des Verhältnisses von “virtuellen” und physischen Raumkonzepten haben wir drei ausgewählte Projekte diskutiert: Ein bundesweites Netzwerk zur Begleitung junger Menschen im Übergang Schule-Beruf, Pflegeberatung und Prävention für Angehörige mit Unterstützung durch eine KI, Robotik und Gamification sowie die ChiRi-App zur Umsetzung von Kinderrechten. In der Diskussion zeigte sich, dass Sozialplaner*innen die mit solchen Diensten einhergehenden Innovationspotentiale sehr konstruktiv aufnehmen, aber bisher kaum Instrumente zum Umgang damit bereit stehen – dies betrifft sowohl die Planung, aber auch die Finanzierung. Hier wird sich zeigen, ob das mit Digitalisierung einhergehende Versprechen, neue Formen der Zusammenarbeit und Vernetzung zu ermöglichen, nicht nur unter einzelnen Subjekten, sondern auch organisational und institutionell eingelöst wird und damit der von Manuel Castells schon zur Jahrtausendwende richtig vorhergesagte Wandel zur Netzwerkgesellschaft auch in der Sozialen Arbeit Einzug hält.

Mich hat die Diskussion mit engagierten Sozialplaner*innen sehr bereichert und ich bin mit neuen Fragen, was die Digitalisierung Sozialer Arbeit betrifft, in Kontakt gekommen. Eine erweiterte Nachlese und den Download der Materialien wird es sicherlich beim VSOP geben – auch für mich interessant, da ich aufgrund des eigenen Workshops die spannenden anderen Angebote (Daten, Partizipation und Einmischung) nicht besuchen konnte.

Weitersagen:

Schreibe einen Kommentar