Was ein Stapel Masterarbeiten mit der Zukunft der Beratungsweiterbildung zu tun hat

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Jedes Jahr um diese Jahreszeit, wenn das Sommersemester zu Ende geht, ist Masterarbeitslesezeit. Als Hochschullehrer ist es spannend zu sehen, wohin sich die Student*innen im eigenen Studiengang mit ihren Themen  entwickelt haben und welche Forschungsfragen für die Masterarbeit daraus resultieren. Trotz der großen Textmenge ist das Lesen in den meisten Fällen sehr aufschlussreich und abwechselnd. In den letzten Tagen habe ich eine Videostudie zur Ethnographie von Beratung in Werkstätten für Behinderung gelesen, etwas über gelingende Beratungsarbeit für trauende Kinder aus Expert*innensicht erfahren, eine Onlinebefragung hessischer Student*innen zur ihren Studienwahlmotiven für ein MA-Studium der Sozialen Arbeit sowie eine Studie zu systemischer Beratung im Personalmanagement von Wirtschaftsunternehmen durchgearbeitet (more to come…). In diesem Blog geht es mir aber nicht um diese Arbeiten an sich, sondern um den Kontext, in dem sie entstanden sind. Denn neben einem regulären akademischen Masterabschluss haben die Student*innen in unserem Beratungsmaster eben auch die Weiterbildung zum/zur systemischen Berater*in (DGSF) absolviert – integriert in ganz normale Studienmodule. Das tut, und darauf will ich hinaus, sowohl dem unmittelbaren Methodenkompetenzerwerb in der Beratung, aber auch der Beschäftigung mit den akademischen Inhalten, sehr gut. Die häufig im Kontext der Humanities verwendete Formel der Ausbildung wissenschaftlich gebildeter Praktiker*innen wird hier auf produktive Art lebendig – weder ist der akademische Gehalt in unserem Studiengang niedriger als in konsekutiven Studiengängen, noch ist die Beratungsausbildung weltfremd und verkopft. Vielmehr bieten sich im Studium vielfältige Synthesemöglichkeiten zwischen Theorie und Praxis, Denken und Handeln und folgen damit den von Bernd Dewe gemachten Prognosen über den inhaltlichen Wert wissenschaftlicher Weiterbildung. Und in dieser aus meiner Sicht gelingenden Form von Akademisierung der Beratung liegt sicherlich auch ein Teil der Zukunft der Beratungsweiterbildung. Zwar werden Beratungsmasterstudiengänge bezogen auf die reinen Kopfzahlen auch in Zukunft eher kleinere Ausbildungsangebote im Vergleich zur nonformalen Weiterbildungslandschaft sein. Allerdings bilden sich mehr und mehr Schnittstellen zwischen der nonformalen und formalen Bildungsarbeit heraus. In Zukunft werden im Rahmen des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) nämlich auch nonformale Bildungsprozesse kompetenzorientiert bilanzierbar. Eine Chance, die die Beratungsweiterbildungslandschaft und die Hochschulen nutzen sollten – Studierende können sich dann nämlich Inhalte von absolvierten Weiterbildungen auf das Studium anrechnen und andersherum, Inhalte aus dem Studium in die Weiterbildung einbringen. So entstehen vermehrt Synthesepunkte für Theorie- und Praxiswissen auch außerhalb spezialisierter Beratungsstudiengänge.

Freilich bedeutet dies ein Einlassen auf die Diskussion um Kompetenzorientierung und den DQR, der zu Recht aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive nicht unumstritten, aber trotzdem das Mittel der Wahl ist, solche Schnittstellen herzustellen. Angesichts des anstehenden Generationenwechsels auch in der Weiterbildungslandschaft sollten sich alle, die das interessiert, einmischen. Beratungsweiterbildungsinteressierte sollten in ihren Instituten nachfragen, ob das Curriculum kompetenzorientiert formuliert und nachweisbar ist, so dass es auf ein eventuelles späteres Studium anrechenbar ist. Institutsleiter*innen und Lehrende sollten sich mit Kompetenzorientierung und dem DQR befassen, um die Chance zu nutzen, ihre Bildungsangebote schon jetzt, beispielsweise im Zuge der Lissabon-Konvention, anrechenbar zu machen.

In einer gemäßigten, inhaltlich gehaltvollen Akademisierung der Beratung liegt also auch ein Stück ihrer Zukunft – wobei diese Akademisierung in Deutschland eher am Beginn steht,  während sie in anderen Ländern von Anfang an der Regelfall war.

 

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