Vergangenes Wochenende fand die jährliche Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) statt. Weil die Mitglieder keine natürlichen Personen, sondern 21 Beratungsverbände sind, war das wie üblich eine exklusive Veranstaltung, in der relevante Themen für psychosoziale Beratung verhandelt werden. Eines davon ist die Frage, wie genau ein Deutscher Qualifikationsrahmen Beratung entstehen soll, den die Mitgliederversammlung letztes Jahr beschlossen hat. Der Vorstand der DGfB hat dieses Thema durch eine Arbeitsgruppe vorangebracht, in der ich mitarbeite. Das hat mir große Freude gemacht, weil eines meiner handlungswissenschaftlichen Kernanliegen, nämlich das transdisziplinäre Bearbeiten von Projekten, dabei besonders herausgefordert ist: Der Qualifikationsrahmen Beratung soll der Weiterbildungslandschaft, Anstellungsträgern und Klient*innen deutlich machen, welches Kompetenzniveau entsprechend dem DQR (Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen) bei einer Beratungsfachkraft vorhanden ist und damit Mobilität und Übergänge zwischen formalem und non-formalem Lernen schaffen. Für die Erstellung des Qualifikationsrahmens haben wir ein wissenschaftliches Programm entworfen, das vorsieht, methodisch strukturiert alle kompetenzorientierten Lehr-, Lern- und Prüfformate aus der Praxis der Beratung und Beratungsweiterbildung zu erfassen, zu systematisieren und daraus eine Synthese zu generieren, aus der sich anschließend die Stufen des Qualifikationsrahmens definieren lassen – wobei wir insbesondere über die Erfassung psychosozialer Beratungskompetenz intensiv in der DGfB und den Mitgliedsverbänden diskutiert haben. Das ehrgeizige Ziel der DGfB ist dabei, den Rahmen methodeninvariant anzulegen und damit auch den neuesten Erkenntnissen aus der Wirkfaktorforschung zu folgen.
Wir haben auch in der diesjährigen Mitgliederversammlung intensiv und konstruktiv mit den Verbändevertretern diskutiert, und dabei ist mir wieder einmal aufgefallen, wie wichtig es ist, bestimmte Basics in der Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft zu klären und abzusichern. Zunächst geht es um das wechselseitige Verständnis und den Respekt vor unterschiedlichen Wissensformen: Praxis und Wissenschaft wissen nicht wechselseitig besser, sondern nur anders über Beratung Bescheid. Und selbstverständlich hat die Beratungspraxis eine Theorie, sie ist aber anders beschaffen als die Beratungstheorie der Wissenschaft. Diese wiederum hat auch eine Praxis, die aber natürlich anders ist als die Praxis der Beratung. Beide denken, reflektieren und handeln also. Für transdisziplinäre Projekte wie unseren Qualifikationsrahmen ist eine notwendige Bedingung, dass diese Wissensformen sich mit Respekt begegnen können. Dazu gehört unbedingt auch das wechselseitige Vertrauen an Schnittstellen, an denen diese Wissensformen übersetzt und transformiert werden müssen. Das geht nicht ohne Informationsverluste und partielles Nichtverstehen und das dann zur Überwindung notwendige Vertrauen: Transdisziplinarität bedeutet eben nicht, dass Praktiker*innen zu Wissenschaftler*innen werden oder vice versa, sondern im gelingenden Fall eine neue Perspektive auf ihre eigene Expertise erfahren.
Insofern hat mich an der vergangenen Mitgliederversammlung auch gefreut, wie einstimmig DGfB-Vorstand und die Mitglieder darin waren, dass unser Projekt gut angekommen ist und in den Qualifikationsrahmen die Praxisklugheit der deutschen Beratungslandschaft methodisch kontrolliert nach wissenschaftlichem Standard Eingang finden wird.