Fragen – Räume – Dinge. Einige Gedanken zur Materialität des Beratungslernens mit Simulation.

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Mit dem Wechsel auf die neue Professur kann ich wieder ein Beratungslabor einrichten. Lab Nummer drei wird TRIBS heißen (für Trierer Beratungssimulation) und wieder auf die bewährten BeraLab-Prinzipien aufbauen. Mit jedem Lab habe ich dazu gelernt und auch neue Forschungsfragen entwickelt – vieles ist noch nicht publiziert und zu Ende gedacht (geht das jemals in der Wissenschaft?). Die neuen Möglichkeiten an der Uni Trier werden sicherlich ihren Beitrag leisten, um mit mehr Ruhe und in einem anregenden Umfeld an die Arbeit gehen zu können.

Eine Sache, die mich schon länger umtreibt, ist dabei die Verbindung von zwei bisher getrennt gehaltenen Zugängen zur Simulation von Beratung.

Zimmer, Sessel, Beistellisch: Beratungslabor als nachempfundene Beratungsstelle

Der erste Zugang besteht darin, Studierenden im Rahmen einer dafür hergestellten, hochimmersiven Simulationsumgebung eine Lernmöglichkeit zu bieten, in der sie mit ausgebildeten Schauspieler*innen Beraten üben können. Dabei entstehende Daten, im wesentlichen Videografien und Fragebogendaten, dienen gleichzeitig dazu, Professionalisierungsprozesse in frühen Phasen unter dem Fokus der Performativität von Beratung(slernen) zu beforschen.

Räume und Dinge: Simulation der Einrichtung einer Beratungsstelle

Der zweite Zugang meiner Beratungslaborarbeit besteht darin, Studierende entlang weniger Vorgaben (gegebener Grundriss, freie Auswahl von Gebäuden und Inneneinrichtung) eine Beratungsstelle für bestimmte Zielgruppen oder Beratungsthemen entwerfen zu lassen.

Beide Zugänge bilden jeweils für sich wesentliche Aspekte von Beratung als Praxis der Herstellung von Reflexion ab. Beratung ist dabei zweifelsfrei an ihre materiellen Bedingungen geknüpft: An Gebäude, die darin befindlichen Wartezimmer, Beratungsräume, Sitzmöglichkeiten, Beistelltische, Akten, Uhren, Notizblöcke, therapeutische Hilfsmittel wie Figuren etc. Gleichzeitig ist ein Verständnis von Beratung, und vor allem ein lernendes Verständnis von Beratung, nur möglich, wenn die Komplexität materieller Bedingtheit insofern reduzibel ist, als zum Erwerb der einschlägigen Beratungstechniken und Methoden, die vor allem auf das Stellen komplexer Fragen zielen, nicht gleichzeitig über die Situiertheit ihres Erwerbs nachgedacht werden kann.

Die BeraLab-Forschung hat mir regelmäßig gezeigt, wie eindrucksvoll schwierig es für Beratungslernende ist, in einem gegebenen Beratungszimmer für eine bestimmte Zeit mit Adressat*innen allein zu sein und dem Geschäft des Fragen-Stellens nachzugehen. Es bleibt in dieser Situation wenig Muse, um Fragen von mitgebrachten Zetteln abzulesen oder sonstige Objekte der Beruhigung (Getränke, Flipcharts etc.) einzusetzen, geschweige denn über die Einrichtung eines Beratungszimmers nach dem Gebot sozialpädagogischer Zugänglichkeit  zu reflektieren. Selbst einfache, im Vorfeld zurecht gelegte Ideen zu Bewegungen des eigenen Körpers im Beratungsraum, beispielsweise zur Einnahme einer bestimmten Sitzposition, scheitern bei beratungsunerfahrenen Studierenden regelmäßig an der Eigendynamik der Situation.

Im forschenden Zugriff auf Beratungslernen als Aneignung einer komplexen Hilfepraxis und der damit einhergehenden Herausbildung sozialpädagogischer Könnerschaft schien es mir deshalb bisher sinnvoll, die komplexe Gleichung der Wechselwirkung zwischen der Herstellung materieller Bedingtheiten und den darin ablaufenden kommunikativen Praxen insofern zu vereinfachen, als in beiden Zugängen jeweils eine Variable fixiert wird. In diesem Vorgehen wird Beratungswelt also entweder hergestellt oder in ihr agiert, und diese Setzung als Vorhandenes und Zuhandenes ist alleine didaktischen und forschungsmethodischen Überlegungen geschuldet.

Nun ist ja der material turn schon ein wenig her, und es lässt sich beobachten, dass nach der sozialwissenschaftlichen Neuentdeckung der Bezüge zwischen Räumen, Dingen, Menschen  sehr spannende Zugänge entstanden sind.

Ich werde also das TRIBS-Lab wieder sorgfältig mit beiden Zugängen bestücken und mir vor allem überlegen, ob sich nicht auch ein Forschungsdesign entwickeln lässt, in dem die Herstellung von Beratung als Koproduktion des Umgangs mit Fragen, Räumen und Dingen als Lernaufgabe gleichzeitig zugänglich ist. Obwohl dies auch wieder eine Simulation wäre, würde sie trotzdem aus praxistheoretischer Perspektive vielleicht näher zu den interessierenden Phänomenen führen.

Und schließlich existiert eine Erweiterung von Beratung, der sie sich unter der Perspektive ihrer Erbringung und des Erwerbs zugehöriger Kompetenzen stellen muss: Digitale Räume und Dinge im weitesten Sinne, Algorithmen beispielsweise, sind für Beratung bereits vielfach relevant. Auch diese Perspektive wird in das TRIBS-Labor einfließen.

 

 

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