Nun ist das Sommersemester um, und damit auch unsere Ringvorlesung zu Nachhaltigkeit und Sozialpädagogik. Wir haben uns an acht Terminen und mit eingeladenen Referent:innen mit den Themen nachhaltige Entwicklung (Yannick Liedholz), Katastrophenhilfe (Rainer Treptow), Raumplanung und Wohnen (Stephanie Weiss), sozialer Gerechtigkeit (Michael Opielka und Wolfgang Schröer), nachhaltiger Ökonomie (Michael Batz und Michael Domes), Mobilität und Migration (Caroline Schmitt und Bea Schwager),weiterlesen
Wir nähern uns einer postpandemischen Zeit, zu der gehören wird, Perspektiven auf Transformationsprozesse sozialpädagogischer Hilfen zu entwickeln, die sich aufgrund der Pandemie ergeben haben (Weinhardt 2020). Ein besonders spannendes Exempel ist dabei Beratung, denn sie verfügte als einzige sozialpädagogische Hilfeform schon vor der Pandemie über eine Geschichteweiterlesen
Wie konzeptualisieren Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren eigentlich aus ihrer Sicht das, was die erwachsenen Professionellen sozialpädagogische Hilfebedarfe nennen? Und wie bringen sie diese Konzepte in (Nicht)passung zu vorhandenen, im SGB VIII definierten sozialpädagogischen Hilfen? Was würden sie sich anders wünschen? Und spielt dabei Digitalität eine Rolle?
Trotz Pandemie und irrsinniger Mehrarbeit was den wissenschaftlichen Alltag betrifft, konnten wir unser neues Forschungsprojekt zu diesen Fragen starten. In bewährter Manier ist es eine Kooperation mit Markus Emanuel (h_da) und Katharina Gerarts (KRI), wird mit viel inhaltlicher Freiheit von der Bertelsmann Stiftung gefördert und von einer Gruppe engagierter junger Forscherinnen (Luisa Dominke, Alina Matan, Laura Strauf, Magdalena Wahl und Neha Weiher) mit durchgeführt. Wir haben den Projektbeginn mehrmals verschoben, weil wir für die Datenerhebung mit den Kindern in Präsenz forschen müssen, und nun waren wir mutig genug für den Start. Und es sieht trotz Omikronwelle gut aus, die beiden Praxispartner aus Hessen und Rheinland-Pfalz können uns einen stabilen Feldzugang ermöglichen.
Und was machen wir genau? Wir bringen je drei bis fünf Kinder in altersdifferenzierten Workshops (6 bis 8 Jahre, 9 bis 11 Jahre, 12 bis 14 Jahre) zusammen. Diese Workshops haben zwei Phasen: In der ersten Phase können die Kinder ausgehend von einem Vignettenimpuls aus ihrer Perspektive entfalten, wie es einem Kind geht, das in typische Schwierigkeiten wie die Trennung der Eltern, Ärger in der Schule etc. gerät. Im zweiten Workshopteil stellen wir für die Kinder die im SGB VIII definierten Hilfen dar, und genau dabei bleiben wir (zunächst) auf dem Teppich. Wir stellen dazu in der Fantasiestadt Caretown die sozialpädagogischen Hilfen vor und lassen die Kinder im Anschluss spielerisch auf Basis der ersten Workshopphase mit dieser Hilfelandschaft interagieren. In einem zweiten Studienzweig geht es dabei nicht nur um Hilfen im physischen Raum, sondern auch um digitale Angebote und die spannende Frage, ob und wie Kinder diese konzeptualisieren und ob sie diese beispielsweise in Verbindung zur Fantasiestadt Caretown bringen oder als einen Raum eigener Art oder hybride Form auffassen. Über solche Digitalitätskonzepte von Kindern bezüglich Sorgearbeit und sozialpädagogischen Hilfen ist bisher so gut wie nichts bekannt.
Die Daten generieren wir mit einer multiperspektivischen Kameraethnografie und werten sie mit der dokumentarischen Methode aus, um die Praktiken der Kinder in der Herstellung von Sorge- und Hilfekonzepten sowie die Bezugnahmen zur Hilfelandschaft tiefenscharf in den Blick zu bekommen. Zusammen mit dem Vignettenimpuls und dem Hilfeteppich Caretown (ergänzt mit Duplo-Spielmaterial) hoffen wir auf diese Weise, einen tragfähigen explorativen Zugang zu unseren Forschungsfragen realisieren zu können. In einem parallel stattfindenden Masterseminar haben zudem Studierende die Möglichkeit, weitere innovative Workshopformate zu entwickeln.
Wer also in der Sozialpädagogik I an der UT demnächst über Duplosteine und zusammengerollte Auslegware stolpert, muss sich keine Sorgen machen. Wir bleiben auf dem Teppich.
Seit Corona wird viel über Digitalisierung in der Sozialen Arbeit geredet. Vor einiger Zeit habe ich dazu geschrieben, dass zu dieser kriseninduzierten Rede ein Stück Geschichtsvergessenheit gehört, denn wirklich neu ist die Sache ja nicht. Andererseits haben wir trotz dieser Historie immer noch keinen gesicherten, systematischen Theoriestandpunkt dazu, wie die Sache eigentlich anzugehen ist. Entsprechend liegt der aktuelle Forschungsstand in Formweiterlesen
Lessons learned? Einige der Erkenntnisse sind für mich unmittelbar handlungsleitend, andere werfen die typischen weiterführenden Fragen explorativer Studien auf und es macht Spaß, diesen Gedanken in der essayistischen Freiform einer Blogpublikation nachgehen zu können.
Wichtig scheint mir, bei der Bilanzierung zunächst Fragen der Repräsentativität zu thematisieren. Die Untersuchung war als Feldstudie unter den aktuellen Praxisbedingungen zwangsdigitaler Lehre konzipiert. Sie wäre in dieserweiterlesen
Soziale Arbeit beginnt an vielen Stellen, sich mit ihrer Digitalisierung zu befassen. Das ist gut so, denn nach wie vor vertrete ich die These, dass dieser Prozess als kultureller Wandel Sozialer Arbeit insgesamt aufzufassen ist und nicht als die sozialmanagerielle Einführung von IT-Tools. Wenn dem so ist, sollten auch Referenzkonzepte aus der Sozialen Arbeit selbst genutzt werden, um die Digitalisierung Sozialer Arbeit zu verstehen und zu gestalten. Im heutigen Blogbeitrag geht es darum zu überprüfen was es bedeutet, von einer lebensweltorientierten Digitalisierung auszugehen. Zum Konzept der Lebensweltorientierung schreibe ich an dieser Stelle nichts, sondern verweise auf den von Hans Thiersch entfalteten Diskurs, der zum wesentlichen Leitkonzept Sozialer Arbeit zählt. In der Lebensweltorientierung sind zentrale Maxime definiert, an denen sich die Arbeit ausrichten soll und durch die im Gegenzug reflektiert werden kann, ob ein gegebenes Konzept als lebensweltorientiert aufgefasst werden kann.
Wie könnte also die Digitalisierung für die Soziale Arbeit aussehen, wenn man sie an den Maximen der Lebensweltorientierung ausrichtet?
Alltagsnähe
Alltagsnähe verweist in der Sozialen Arbeit darauf, dass der von Adressat*innen erlebte Alltag einen Eigensinn hat. Alltag wird dabei doppelbödig aufgefasst, weil er durch seine immanenten Routinen des Zurechtkommens auch das Potential birgt, weiterführende Kritik und Problematisierung von Lebensumständen- und Situationen zu verunmöglichen. Zentral ist für die Struktur von Diensten und das Handeln von Professionellen aber dennoch die notwendige Ausrichtung ihrer Arbeit an Alltagsstrukturen und Alltagslogiken. Bezogen auf Digitalisierung bedeutet dies, zunächst zu suchen, wo Adresssat*innen Sozialer Arbeit in ihrem Alltag digitale Dienste nutzen. Schnell kommt man dann darauf, dass elaborierte Modelle z.B. dig
italer Bürgerdienste oder sonstige Spezialangebote nur einen Teil einer gelingenden Digitalisierung Sozialer Arbeit darstellen können. Der digitalisierungsbezogene Alltag der meisten Menschen sieht hingegen ganz anders aus: Für Jugendliche sind das beispielsweise Instagram, Snapchat, WhatsApp, Twitter und YouTube. Hier spielt sich der Alltag ab, der weitgehend als Stream organisiert und an vielen Stellen mit der nicht digitalen Welt vernetzt ist. Gleichzeitig tut sich Soziale Arbeit gerade mit solchen Gedanken am schwersten – zum einen durch eine latente Technikferne, die sich auch in der jüngeren Fachkräftegeneration wiederholt, zum anderen durch eine demographische Personalsituation, die derzeit das tätig werden auf Facebook bereits als Königsweg der Digitalisierung begreift.
Regionalisierung/Dezentralisierung
Regionalisierung und Dezentralisierung bedeutet in den Präsenzangeboten z.B. Jugendhilfestationen in überschaubar gedachten Sozialräumen und keine Spezial- und Komplexeinrichtungen, deren Besuch zwingend den Abbruch von Alltagskontakten bedeutet. Dieser Gedanke ist auch in der Digitalisierung wichtig: Für die meisten Fachkräfte gilt bis heute die Unterscheidung „entweder man ist drin“ mit seinem Dienst, oder nicht. Das Internet zerfällt aber ebenso wie die echte Welt durch höchst unterschiedliche Milieus und Kulturen in zahlreiche Partitionen, die man durchaus im übertragenen Sinne als virtuelle Sozialräume auffassen kann. R
egionalisierung bedeutet dann, dort im Internet präsent zu sein oder digitale Dienste zu konzipieren, wo sie mit anderen Dingen „vor Ort“ sein können – also z.B. nicht nur in den behördenförmig aufgebauten Webseiten kommunaler Träger, sondern in den Regionen des Internets, in denen sich Adressat*innen aufgrund ihrer Eigenlogik aufhalten.
Prävention
Prävention – bei aller ihr innewohnender Gefahr, alleine durch die Thematisierung potentieller Krisen und Probleme diese möglicherweise zu befördern – kann in der Digitalisierung besonders sinnvoll und möglicherweise weniger problematisch konzipiert werden: Durch die potentielle Anonymität digitaler Dienste können beispielsweise Stigmatisierungsängste und Gefahren weniger drastisch ausfallen als dies in Präsenzformaten der Fall ist.
Integration/Inklusion
Soziale Arbeit kann als universalistisches Projekt, in dem die Einheit der Differenzen zwischen Möglichkeiten und Einschränkungen verschiedener Menschen durch den Primat der allgemeinen Menschenrechte und der Menschenwürde normativ sichergestellt ist, aber im Alltag oft ausbleibt, besonders von Digitalisierung profitieren. Digitale Dienste können als digitale Inklusion und inklusive Digitalisierung gedacht werden und durch die Materialisierung technischer Potentiale an vielen Stellen vollkommen neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen, die beispielsweise in der Anwendung neuster Erkenntnisse aus der Robotik und KI-Forschung erst ganz am Anfang stehen.
Partizipation
Digitalisierung ist in ihren (auch historischen) Wurzeln radikal basisdemokratisch. Während man heute beim Stichwort Silicon Valley an marktradikal orientierte IT-Startups denkt, war vor nicht allzu langer Zeit die nichtkommerzielle Graswurzelbeteiligungskultur der Digiteratis entscheidend. Das Potential hierzu ist allen technischen Optionen, die mit der Digitalisierung einhergehen, nach wie vor eingeschrieben. Obwohl und gerade weil Digitalisierung aktuell oft als verdeckte Kommerzialisierung gelesen werden muss (z.B. als Umbau herkömmlicher Werbekonzepte durch das Influencerwesen und der damit einhergehenden neuerlichen Kolonialisierung von Lebenswelt), bieten sich hier also kritische Potenziale, die Soziale Arbeit nutzen kann und sollte. Lässt man dies zu, können Adressat*innen weitaus mehr als bisher über Soziale Dienste mitbestimmen und diese mehr und mehr zu responsiven Organisationen machen.
Soweit als ein paar Gedanken – ich war selbst erstaunt, wie schnell man auf weiterführende Gedanken und Analysepotentiale kommt, wenn gängige Theoriekonzepte Sozialer Arbeit auf den Gegenstandsbereich ihrer Digitalisierung angewendet werden. Dies gälte es zu verfolgen, damit Soziale Arbeit weiterhin die Deutungshohheit über ihren kulturellen Wandel behält.
Seit Verabschiedung des Koalitionsvertrages ist die Digitalisierung in aller Munde. Und wie mit jedem politisch geadelten Plastikwort ergeht es auch diesem Begriff: Er wird überinklusiv für alles benutzt, was irgendwie mit Daten, Internet, Hard- oder Software zu tun hat. Also streng genommen für die ganze Welt des 21. Jahrhunderts. Aus diesem kapazitiven Bedeutungsüberschuss der Digitalisierung entsteht genauso viel Sinn wie Unsinn, auch und gerade in der Sozialen Arbeit, die sich bis heute durch eine gewissen Technikferne auszeichnet.
Welche Digitalisierung aber braucht Soziale Arbeit eigentlich? In einem 2019 erscheinenden Beitrag in einem Sammelband zu diesem Thema gibt es Antworten, aber einige kann ich schon vorwegnehmen: Digitalisierung in der Sozialen Arbeit ist zunächst einmal Medienbildung und Gestaltung kulturellen Wandels. Das gilt für ihre Fachkräfte und für ihre Adressatinnen und Adressaten. Dabei ist mehr gemeint, als sich in den Optionen ubiquitärer Medien nicht zu verlieren und ein Smartphone bedienen zu können. Für Fachkräfte geht es dabei vor allem um konzeptionelles Wissen – also wie sich, gemessen an den Ansprüchen Sozialer Arbeit, digitale Medien sinnvoll zur Verbesserung und Erweiterung ihrer Angebote nutzen lassen. Das klingt einfach, aber bis heute ist es so, dass Digitalisierung nur vereinzelt im Studium Sozialer Arbeit vorkommt. Und wenn, dann geht es um Wissensvermittlung über bereits vorhandener Dienste und Angebote, z.B. zum Thema Onlineberatung oder den Einsatz von Dokumentationssoftware im Rahmen der Jugendamtsarbeit. Das ist ein guter Anfang, negiert aber die Tatsache, dass diese Dienste nicht mehr als innovativ gelten und somit auch nicht in ihrer exemplarischen Darreichungsform für die Vermittlung des gr0ßen Problems einer hoch kontingenten digitalen Zukunft taugen. Für das Beispiel Onlineberatung und Falldokumentation heißt das: Vermittelt werden muss nicht nur der Korpus an bereits gut etablierten methodischen und technischen Verfahrensweisen, sondern auch: Was bedeutet eigentlich Affective Computing für die Soziale Arbeit? Wo kann eine KI hier unterstützen, wo ist sie hinderlich? Was passiert beispielsweise konkret, wenn eine KI mit dem synergetischen Navigationssystem gekoppelt wird und daraus möglicherweise weitaus präzisere Vorhersagedaten als bisher entstehen? Wie ist damit umzugehen, dass menschliche Fachkräfte in Teilen oder ganz in der Onlineberatung möglicherweise ersetzbar sind? Will man das? Welche ethischen Probleme ergeben sich daraus?
Abseits dieser thematischen Spezialfragen sind aber auch auch die Anschlüsse der Digitalisierungsdebatte an Großtheorien Sozialer Arbeit bisher gar nicht benannt, geschweige denn ausgearbeitet. Was bedeutet beispielsweise das Internet der Dinge für das Konzept der Lebensweltorientierung? Wie muss der Sozialraumdiskurs erweitert werden, wenn es um den Einbezug des Internets mit seiner entörtlichten und entzeitlichten Logik geht?
Soziale Arbeit braucht für diese Fragen Fachkräfte, die Antworten aus der Sozialen Arbeit selbst heraus entwickeln. Sonst läuft sie wieder einmal Gefahr, dass sie ihre Themen später manageriell und fachfremd aufbereitet wiederfindet und sich, ähnlich wie in der Dienstleistungs- und Ökonomisierungsdebatte, nur noch reaktiv dazu verhalten kann. Digitalisierung bedeutet für Soziale Arbeit vor allem, einen bereits stattfindenden kulturellen Wandel als solchen zu erkennen und mitzugestalten und die damit einhergehenden Veränderungen vor allem als Pluralisierung und Modernisierung von Kulturtechniken zu begreifen, die Bestandteil der Lebenswelt von Fachkräften und Adressat*innen sind. Dies umfasst die gesamte Spannweite von Lehre und Forschung in der Sozialen Arbeit bis hin zu ihren zukünftig auch vermehrt digitalen Diensten und Arbeitsabläufen.
Erst wenn dies begriffen ist, kann es um Software und Hardware gehen. Die viel beschworene App oder neue Dienste sind, wenn man erst einmal weiß, warum und für was man sie möchte, im Rahmen von Design Thinking weitaus rascher und prozesshaft passend entwickelt als in der derzeitigen Rezeption von Digitalisierung als beständige Hard- und Softwareinnovation suggeriert wird. Vorher aber steht das intensive Denken, Reflektieren und kreativ sein. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es für die Bedürfnisse Sozialer Arbeit derzeit eher zu viel als zu wenig bereits bestehende Technologien gibt – die sie noch gar nicht nutzt.
Soziale Arbeit wird also eine Digitalisierungsdebatte benötigen, die das Thema entlang ihren eigenen Erfordernisse entwickelt und sie vor allem als kulturellen Wandel von Bildungs- und Bewältigungsoptionen begreift.
Hochschulen – Unis und HAWen – sollen ihre Profile schärfen, sich regional vernetzen und im Zuge einer neuen Infragestellung von Wissenschaft auch unmittelbare Beiträge zum Gemeinwohl leisten. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden – diese Punkte wurden je nach Hochschulstandort und Fach schon immer mehr oder weniger erfüllt.
Mit dem Begriff der Third Mission – einer dritten Aufgabe neben Forschung und Lehre – haben solche Aktivitäten seit einiger Zeit nun mit einem Hochwertwort eine spezifische Aufwertung erfahren: Neben dem Austausch mit der relevanten Umwelt – Bürgern, der Zivilgesellschaft und Unternehmen – ist die Third Mission auch Währung im Profilierungswettkampf der Hochschulen untereinander geworden.
Neben der prinzipiellen Problematik, dem Wissenschaftsbetrieb schlichte Marktförmigkeit zu unterstellen, finden sich auch spezifische Problematiken für einzelne Fächergruppen. Eine davon sind diejenigen Fächer, die sich mit Sozialer Arbeit befassen.
Warum ist das so? Das wird unmittelbar ersichtlich, wenn man sich typische Third-Mission-Projekte anschaut: Beispielsweise wird eine Hochschule für Architektur und Gestaltung im Gemeinwesen tätig, um eine Flüchtlingsunterkunft im Dialog mit den Anwohnern zu entwerfen. Oder eine Professur, die sich mit mobilen Endgeräten befasst, arbeitet in einem Third-Mission-Projekt mit einer Schule für körperlich behinderte Menschen zusammen, um neue Soft- und Hardwarelösungen zu entwickeln.
Die Idee der Third Mission wird also deutlich: Es geht, salopp gesagt, um eine Art institutionalisiertes Ehrenamt, das Hochschulen erbringen und das dazu dient, neben den intendierten regionalen Effekten Studierenden sozialen Kompetenzen und Verantwortungsübernahme für gesellschaftliche Fragen zu vermitteln.
Soweit, so gut. Nur ist dieses Programm in der Sozialen Arbeit der Hauptgegenstand. Anwaltlich für Bedarfe und Bedürfnisse der von Ausgrenzung bedrohten Mitbürger*innen da zu sein, ist der Hauptzweck Sozialer Arbeit. Soziale Kompetenzen sind dabei keine neben dem eigentlichen Fach erworbenes Beiwerk, sondern in vielen Bereichen das hauptsächliche Veränderungswerkzeug – beispielsweise in der Erziehung, Begleitung und Beratung.
Bildet man also zu den oben genannten Beispielen eine konstrastierende Geschichte einer Third Mission Sozialer Arbeit, so kommt nur eines heraus: Soziale Arbeit. Sie hat schon immer auch mit Ehrenamtlichen gearbeitet, und sie bearbeitet, wo immer ihre Aufgaben die Gestaltung von Welt erfordern, diese im transdisziplinären Verbund unterschiedlicher Disziplinen und Praxisakteure, z.B. mit Architektur, Stadtplanung oder der Ingenieurswissenschaft.
Damit wird auch klar, dass eine schlichte Übertragung der Idee von Third Mission in der Sozialen Arbeit immer auch bedeuten kann: Deprofessionalisierung.
Vor etwas mehr als einer Dekade hat sich ein neuer Diskurs um die Akademisierung von Personal entwickelt, das für die Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Elementarbereich zuständig ist. Das schlechte Abschneiden bei PISA und der Drang zur Akademisierung von Berufen, die bisher an Fachschulen gelehrt wurden (neben den ErzieherInnen auch KrankenpflegerInnen), haben damals ein neues Sprechen über die Bedeutung frühkindlicher Lern- und Bildungsprozesse geformt. Dieser intensivierte Diskurs war sicherlich politisch unausweichlich, aber in der Sache doch auch geboten – schließlich gibt es keinen ernsthaften Grund, eine wichtige Lebensphase menschlicher Existenz in Punkto Bildung und Erziehung handlungswissenschaftlich unbestellt zu lassen. Viel gute Forschung und daraus resultierendes Wissen lag schon vor, noch mehr sollte folgen, und nun brauchte es einen Container, um das schemenhaft am Horizont auftauchende akademische Berufsfeld zu benennen.
Der/die KindheitspädagogIn war geboren, bald auch mit staatlicher Anerkennung auf Empfehlung (nicht: Anweisung und Regulierung, übrigens) des Familienministeriums. Soweit, so gut – es schien ziemlich überzeugend möglich, passende Wissensbestände zu einem Curriculum zusammen zu fügen, das zumindest eine hohe Augenscheinvalidität verspricht: Ein guter Mix aus erziehungswissenschaftlicher Theorie zu Lernen und Bildung, Entwicklungspsychologie, ein wenig Medizin, Soziologie, um Institutionen und Organisationen von Kindheit(en) zu verstehen, Recht und Verwaltung – prima soweit. Allerdings, etwas curricular geschulten LeserInnen wird die Aufzählung wenig innovativ vorkommen. Denn, richtig, es sind auch die akademischen Bestandteile eines Sozialpädagogikstudiums, natürlich fokussiert auf die Lebensphase Kindheit. Die Kindheit wird dabei meist großzügig ausgelegt, in der Regel bis 18, denn das sagt die UN-Kinderrechtskonvention. Es handelt sich also um ein Sozialpädagogikstudium mit Schwerpunkt Kindheit und Jugend und den zugehörigen Institutionen und Organisationen.
Es wäre nun aus Sicht von Wissensbildungsprozessen auf personaler und organisationaler Ebene gar nichts daran auszusetzen, von KindheitspädagogInnen als Beruf zu sprechen.
Allerdings scheint die “Szene” gerade einen fulminanten Fehler zu machen: Sie beginnt, sich selbst als Profession zu thematisieren und will dabei gleich noch eine akademische Disziplin miterfinden – so wie es Medizin, Theologie und Juristerei vermeintlich vormachen. Dabei geht sie in der Sache unlogisch und gesichertes Wissen ignorierend vor, denn: Sie durchläuft dabei alle Fallen, in die die Soziale Arbeit bereits getappt ist, wenn eine diffuse, lebensweltlich gegebene Aufgabe (hier: Erziehung und Bildung) in einen vermeintlichen Spezialjob, der NUR von Fachleuten einer bestimmten Profession zu erledigen sein soll, umgedeutet wird. Von einer klassischen Profession der Kindheitspädagogik – egal welche Professionstheorie man anlegt – kann nämlich gar keine Rede sein: Es gibt kein exklusives Sonderwissen, und schon gar keinen gesellschaftlich legitimierten Alleinzugriff auf die Sache Kindheit(en), der KindheitspädagogInnen zugestanden werden könnte. Um dies zu verdeutlichen, kann man die gesamte, im Prinzip als abgeschlossen geltende Debatte um den Nicht-Professionsstatus Sozialer Arbeit als argumentatives Lehrstück heranziehen:
das Versteifen auf (Kinder)rechte: Kinderrechte und ihre pädagogische Durchsetzung im Alltag, so könnte man meinen, begründen ein Alleinstellungsmerkmal, auf das KindheitspädagogInnen sich zurückziehen können. Ein Irrtum, denn für Rechte ist die Profession der Juristerei zuständig, und es hat schon für die Soziale Arbeit mit der wahnwitzigen Idee des Besetzens einer Menschenrechtsprofession nicht geklappt, einem helfenden Beruf mit Bezug auf die Deutungsmacht von Recht zur Bedeutungsaufwertung